Das iPad wird die Mediennutzung von morgen und das mobile Internet stark prägen. Damit verbunden wird auch der separate Verkauf einzelner journalistischer Beiträge immer wahrscheinlicher, so ein Fazit des gestrigen media coffees der dpa-Tochter news aktuell. Mehr als 400 Pressesprecher, PR-Fachleute und Journalisten waren gestern in Hamburg zu Gast bei der Auftaktveranstaltung zur neuen Diskussionsreihe. “Kommunikation 2020 – Aufbruch in ein neues Informationszeitalter?” Moderiert wurde der media coffee von
dpa-infocom-Geschäftsführer Meinolf Ellers.
Claus Strunz, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, warnte davor, davon auszugehen, dass es sich beim Journalismus um eine aussterbende Zunft handele. Er verglich die Medienbranche mit der Geschichte des Zirkus. ” Zirkus war tot. Aber Zirkus hat sich neu erfunden und ist so erfolgreich wie nie. Bloß ohne Elefanten,” sagte Strunz. Er plädierte außerdem dafür, dass Zeitungshäuser in Zukunft ihre Inhalte wesentlich passgenauer an die Leser verkaufen müssten (“Unbundle the bundle.”). Dabei könne er sich gut vorstellen, einzelne Artikel online separat anzubieten. Insgesamt kritisierte der Chef des Hamburger Regionalblatts, dass heute viel zu negativ von so genannten Bezahlschranken im Netz gesprochen werde. ” Wir glauben, dass unsere Inhalte wertvoll sind und dass die Menschen dafür bezahlen wollen. Ich ärgere mich ein wenig, dass man dann von Paid Content oder Pay Walls spricht. Letztendlich ist das alles nichts anderes als ein ganz normales Abo.”
Wenige Wochen bevor das iPad von Apple auch in Deutschland erhältlich ist, sieht Trendforscher Peter Wippermann die Medienunternehmen vor einer richtungweisenden Entscheidung: Wollen sie Vertriebshäuser oder Inhalteproduzenten sein. Eine wichtige Bedeutung werde dabei Geräten wie dem iPad zukommen. “Das iPad ist das Interface für alle digitalen Angebote, die man im Alltag braucht. Alles Internet wird mobil sein. Das iPad ist die erste Ikone dafür. In wenigen Jahren wird ein iPad zum Alltag gehören,” stellte Wippermann in Aussicht. Trotzdem appellierte der Gründer des Hamburger Trendbüros an die Medienhäuser, sich auf ihre Wurzeln zu besinnen. “Journalismus muss immer die
Kernidentität eines Verlages sein. Allein die Beziehung zum Leser entscheidet über den Werbemarkt.”
Dass es heute immer einfacher werde, Wissen im Netz zu finden, sagte Georg Mascolo vom Spiegel. Gleichzeitig sei es aber immer schwerer, “all dieses Wissen auch tatsächlich zu verstehen”, so der Chefredakteur des größten deutschen Nachrichtenmagazins. Er sprach sich allerdings dagegen aus, journalistische Beiträge häppchenweise anzubieten. “Verkaufen wir weiterhin eine Wundertüte! Ich bin gegen ‘unbundle the bundle’”, sagte Mascolo. Trotzdem prophezeite er dem iPad eine große Zukunft. Mit diesem Gerät gelinge es erstmals, das sinnliche Erlebnis von Print in die digitale Welt zu transportieren. “Man hat auf elektronische Art und Weise das sinnliche Gefühl, eine Zeitung durchzublättern. Die Lust am Lesen bleibt bei diesem Produkt bestehen”, lobte Mascolo.
Karen Heumann von der Werbeagentur Jung von Matt attestierte den etablierten Medien ein Markenproblem. Sie empfahl den Verlagen, dass ihre besten Reporter und Autoren spürbar intensiver in der Öffentlichkeit sichtbar sein müssten. “Die Edelfedern müssen viel stärker zu eigenen Marken werden”, sagte Heumann. Die Jung von Matt-Geschäftsführerin zeigte sich ebenfalls begeistert von den Möglichkeiten des iPads. Mit diesem Gerät beginne jetzt “die echte Empfängermobilität”, so Heumann weiter. Auch sagte die Werbe-Expertin
voraus, dass journalistische Beiträge in Zukunft wahrscheinlich separat zu beziehen seien. “Das ist wie eine Playlist”, so Heumann.
Mark Heising von der PR-Agentur Edelmann legte im Hinblick auf zukünftige Kommunikationsabläufe das Augenmerk stärker auf Social Media. Er prognostizierte, dass es nicht nur wichtig sei, in Social Networks wie Twitter und Facebook präsent zu sein, sondern dass die Unternehmen und Marken aufgerufen seien, dort einen echten Dialog mit Kunden und Lesern zu führen. “Die große Herausforderung lautet, wie schaffen wir es, dass wir ein Gespräch in Gang halten”, betonte Heising, der bei Edelmann als Head of Digital Germany tätig ist. Außerdem unterstrich er die entscheidende Bedeutung, die der Positionierung eines Unternehmens in Kommunikationsprozessen zukomme: “In welchem Umfeld beschäftigt sich jemand mit meiner Marke. Das wird die entscheidende Frage sein in Zukunft.”